Schlachtfeld der Erinnerung
Seit jeher beschäftigt das Verhältnis zur eigenen, gemeinsamen Vergangenheit vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs die deutsche Nation. Sie sieht sich vielerlei Kontroversen über den richtigen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ausgesetzt. Man versteht die Gegenwart nur wenn man die tieferen Zusammenhänge der Vergangenheit begreift. Wir haben gerade als Nachfolgegeneration die große Chance aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und uns heute, im Klima eines neu erwachenden Nationalbewusstseins, der möglichen Konsequenzen von Ignoranz und undemokratischem Fehlverhalten bewusst zu sein.
Mein Interesse an der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, besonders an der meines Großvaters, wurde aufgrund eines Zufallsfundes auf dem Dachboden meines Elternhauses geweckt. Dort stand eine alte „Wehrmachtskiste“ mit Erinnerungen/Archivmaterial meines Großvaters Wilhelm Kaiser. Sie enthielt schriftliche Zeugnisse, rund 150 Feldpostbriefe, die seine Mutter in den Jahren 1941–1943 an ihn schrieb und rund 300 Fotografien in Form von Negativen aus den Jahren 1939–1945, die von meinem Großvater (Amateurfotograf) während des Krieges aufgenommen wurden.
Die Orte, an denen die meisten Fotografien meines Großvaters entstanden, befinden sich in Polen und Russland. Dokumentiert sind seine Soldatenausbildung in Polen, Standort Posen und sein Einsatz an der Ostfront. Häufig steht der Alltag im Vordergrund und nicht nur das Kriegsgeschehen. Auch die Briefe meiner Urgroßmutter an meinen Großvater machen deutlich, dass die Menschen an der Heimatfront um die Darstellung von Normalität bemüht waren.
Um ein tieferes Verständnis für das Vergangene zu bekommen, reiste ich an die Orte der damaligen Geschehen. Diese persönlichen Momente habe ich situativ eingefangen. Durch meine Farbfotografien, die sich so durch eine größere Wirklichkeitsnähe auszeichnen, betone ich den Kontrast gegenüber den Schwarz-Weiß-Fotografien meines Großvaters. Diese subjektive Wahrnehmung historischer Zusammenhänge aus einer aktuellen Perspektive ist für unsere Kultur des Erinnerns inzwischen prägender als die erneute Darstellung historisch-objektiven Wissens.
Wir mögen zwar glauben die Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu kennen, da wir in den Medien mit Bild- und Tonmaterial davon überschüttet werden, kommen dem Ganzen aber nur ansatzweise persönlich nahe. Wie will man das Gesamtbild eines Krieges begreifen wenn man die einzelnen Geschichten der Personen im Krieg unberücksichtigt lässt? Erst die Identifikation mit den einzelnen Personen im Kriegsalltag kann den Betrachter berühren. Es gibt unzählige Geschichten, jede Einzelne erzählt etwas anderes und doch haben viele der Menschen im Zweiten Weltkrieg Ähnliches erlebt.